Die Redolf-Krippe in Fridingen
Autor: Wolfgang Wirth
Veröffentlicht in: Gesammelte Aufsätze zur Fridinger Geschichte Band 29
Kaum ein Ereignis der Weltgeschichte wurde in der bildenden Kunst so oft dargestellt und hat zu allen Zeiten Generationen von Künstlern in unterschiedlichster Weise so intensiv inspiriert wie die Geburt Jesu.
Als literarische „Vorlage“ dazu dienen die beiden Evangelisten Matthäus und Lukas. Sie stellen ihrer Darstellung des Lebens Jesu jeweils eine Vorgeschichte voraus, die als Grundlage für die Krippendarstellungen dient. Der Kerntext findet sich im Lukasevangelium:
„So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (LK 2,4-7).
Die Einzelheiten der Erzählung weichen in diesen beiden Evangelien jedoch grundlegend voneinander ab. Die allermeisten Krippendarstellungen kombinieren beide Darstellungen, wenn sie nacheinander die Hirten (nach Lukas) und dann die Sterndeuter, Magier, Weisen oder „die heiligen drei Könige“ (nach Matthäus) auftreten lassen. Der Heilige Franziskus von Assisi (1181-1226), so heißt es offiziell, habe im Jahr 1223 in einer Felsgrotte in einem Wald bei Greccio zum ersten Mal die Geburt Christi mit Krippe und Ochs und Esel, aber noch ohne die heilige Familie, gefeiert. Für Deutschland errichteten die Jesuiten im Jahr 1601 die erste Krippe in Altötting, und sechs Jahre später folgte mit St. Michael in München ein weiteres Gotteshaus. In der Barockzeit erlebte die Weihnachtskrippe in Kirchen und beim Adel eine erste Blüte.
Im Zusammenhang mit der Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts und der Säkularisation gab es in verschiedenen Regionen drastische Krippenverbote. Fridingen, damals bis 1803 zu Vorderösterreich gehörig, unterlag damit auch dem 1782 erlassenen Edikt von Kaiser Joseph II., der mit seinen Brauchtumsreformen auch das Aufstellen von Weihnachtskrippen in Kirchen im gesamten österreichischen Herrschaftsgebiet prinzipiell verbot. Diese Verbote wurden zwar in der Zeit um 1825 alle wieder aufgehoben, aber sie hatten zwischenzeitlich doch schon dazu geführt, dass die Menschen die ehemaligen Kirchenkrippen nicht wie dies zunächst befohlen war zerstörten, sondern sie hinter dem Rücken der Obrigkeit heimlich in den Nachbarhäusern der Kirchen aufbauten. Damit legten sie ungewollt den Grundstein für die rasante Entwicklung der Hauskrippe. Dadurch verlagerte sich die Krippenkultur vom öffentlichen Raum immer mehr in den privaten Bereich und als die vielen Krippenverbote - nicht zuletzt durch das ständige Aufbegehren des Volkes – schließlich wieder aufgehoben wurden, hatte die volkstümliche Tradition der Hauskrippe bereits festen Fuß gefasst. Ab dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 gesellte sich zu der häuslichen Krippe auch der Weihnachtsbaum hinzu.
Ob unsere jetzige Krippe die erste in der Fridinger Pfarrkirche war, ist nicht bekannt. In den nur lückenhaft erhaltenen Rechnungsbüchern der katholischen Kirchengemeinde finden sich bis zum Jahr 1782 keinerlei Hinweise auf den Kauf oder die Reparatur einer Weihnachtskrippe. Lediglich im Rechnungsjahr 1790/91 ist erwähnt:
„Vor das Christkindtlein zusammengemacht und ausgebeßert, sambt einen Schein vergüldt – weil aber der Heilig so arm ist, so mache ich nur das Helfste á 24 Kreuzer, 23. Xbris 1791 Antony Hama, Mahler“.
Das heißt übersetzt, dass der Fridinger Maler Anton Hamma die Christkindleinfigur der Kirchengemeinde, die eine Einzelfigur und damit sicherlich nicht Teil einer Krippe war, renoviert und ihren Heiligenschein vergoldet hat. Dafür hat er, weil die Kirchenpflege damals so verarmt war, mit 24 Kreuzern nur die Hälfte seines tatsächlichen Aufwandes in Rechnung gestellt. Die Quittung ist ausgestellt am 23. Dezember 1791.
Kammerer Bernhard Ruess, Stadtpfarrer in Fridingen von 1899 bis 1924, war ein sehr kunstsinniger Geistlicher und hat vieles zur künstlerischen Ausstattung und Gestaltung der Fridinger Pfarrkirche beigetragen, unter anderem hat er auch die drei farbigen Fenster mit der Kreuzigungsgruppe im Chorraum gestiftet. Schon bald nach seiner Ankunft in Fridingen war ihm die Anschaffung einer schönen und passenden Krippendarstellung für die Kirche ein wichtiges Anliegen. Allerdings fehlte der Kirchengemeinde damals das nötige Geld dazu. Er fand aber bald eine Stifterin. Lydia Hermann hatte für seine Anliegen zur Verschönerung der Kirche ein offenes Ohr und versprach zu helfen.
Lydia Hermann ist am 10. Dezember 1838 in Fridingen als viertes von insgesamt zehn Kindern des Söldners und Taglöhners Fidelis Hermann (1806-1876) und seiner ersten Frau Agatha Hermann (1807-1846) in bescheidenen Verhältnissen geboren. Die Familie lebte im Gebäude Bahnhofstrasse 52 (heute „Lila-Raute“), das Fidel Hermann 1833 erbaut hatte. Im Alter von 22 Jahren wanderte Lydia Hermann im Frühjahr 1860 nach Amerika aus und ließ sich in Chikago nieder. Als Beruf gab sie bei der Einreise „Koch“ an. Vier ihrer Geschwister und später ihr Neffe sind ebenfalls nach Chikago ausgewandert. Lydia Hermann muss in Amerika viel gearbeitet und gut verdient haben. Sie konnte einiges ansparen und kehrte spätestens um 1895 nach Fridingen zurück.
Am 8. April 1901 schrieb sie ihr zweiseitiges Testament nieder. Darin vermachte sie der katholischen Kirchengemeinde Fridingen nach ihren Vorgaben 1.500 Mark.
Lydia Hermann konnte die Frucht ihrer frommen Stiftung allerdings nicht mehr selbst sehen, sie verstarb im Alter von 64 Jahren am 8. Juni 1902 in Fridingen. Am 12. Juni 1902 wurde das Testament eröffnet und Pfarrer Bernhard Ruess erfüllte nun den Wunsch der Stifterin. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Vikar und Kaplan in Bergatreute, Schussenried und Ravensburg kannte Stadtpfarrer Ruess den angesehenen Bildhauer Valentin Redolf aus Gebrazhofen bei Leutkirch wohl schon persönlich. Ihm erteilte er mit Zustimmung des Kirchenstiftungsrates am 15. September 1902 den Auftrag, eine Weihnachtskrippe für die Fridinger Pfarrkirche zu liefern.
Zur genaueren Definition dieses Auftrages wurde folgender Vertrag zwischen Stadtpfarrer Ruess und Valentin Redolf abgeschlossen:
„Der Hochwürdige Herr Stadtpfarrer Kammerer Ruess in Fridingen beauftragt mich laut Schreiben vom 15. September des Jahres für die dortige Stadtpfarrkirche eine Krippendarstellung nach der von mir entworfenen (und mit Ausnahme einiger ausbedungenen Abänderungen) vorgelegten Skizze auszuführen, bestehend aus einem Stallgebäude 2,50 m breit, 1,60 m hoch und 0,80 m tief mit Stern, 19 Figuren, 1 Elefant, 1 Kamel, 1 Ochse, 1 Esel, 8 Schafe, 1 Hund."
Valentin Redolf nahm mit der Unterzeichnung des obigen Vertrages den Auftrag an und verschickte die fertige Weihnachtskrippe pünktlich und gut verpackt in zwei großen Holzkisten per Bahnfracht von Leutkirch aus am 21. Dezember 1902. Am 24. Dezember 1902 kam die Krippendarstellung wohlbehalten in Fridingen an. Valentin Redolf kam am 24. Dezember persönlich nach Fridingen und baute die Krippe selber auf. Zunächst allerdings noch nicht gleich in der Kirche, sondern zur Abnahme des Kunstwerkes zuerst im oberen Rathaussaal, wo er sie auch fotografierte. Dann stellte er sie zusammen mit dem damaligen Messner Konrad Epple (1860-1940) in der Kirche auf. Für diese „Dienstleistung bei dem Aufstellen der Krippendarstellung“ durfte Konrad Epple einen Arbeitslohn in Höhe von einer Mark in Rechnung stellen, die ihm am 18. Januar 1903 von der Kirchenpflege ausbezahlt wurde.
Die Rechnung für die gesamte Krippendarstellung belief sich schlussendlich auf 802 Mark, da Valentin Redolf aus heute unbekannten Gründen eine Figur weniger als dies ursprünglich im Vertrag vereinbart worden war, geliefert hatte. Die angelieferte Weihnachtskrippe umfasste das imposante Stallgebäude mit den Maßen: 2,90 Meter breit, 1,60 Meter hoch und 90 Zentimeter tief, dabei waren am Turm zwei Tauben und oben am Stall der Stern für insgesamt 120 Mark und dazu 32 holzgeschnitzte und farbig gefasste Figuren: ein Gloria-Engel zum Preis von 38 Mark, ein schreitender Engel für 20 Mark; Josef und Maria, 45 Zentimeter hoch, je 38 Mark; das Christkind in der Krippe 15 Mark; vier Hirten, 45 Zentimeter hoch, je 38 Mark; eine Hirtenfrau, 45 Zentimeter hoch, 38 Mark; ein Hirtenknabe, 27 Mark; ein Hirten-Mädchen 24 Mark; die hl. drei Könige, 45 Zentimeter hoch, je 38 Mark; zwei Diener 45 Zentimeter hoch, je 38 Mark; ein Schleppenträger 28 Mark; ein Ochse 10 Mark, ein Esel 10 Mark, ein Elefant 18 Mark, ein Kamel 18 Mark, ein Hund, eine Ziege, drei große Schafe und vier kleine Schafe je zwei Mark, zusammen 18 Mark, Summa 802 Mark.
Die Figuren der Fridinger Krippendarstellung wurden im damals üblichen „Nazarener-Stil“ geschaffen, die Krippe selbst fällt unter die Kategorie „Heimatkrippe“. Das heißt, das Stallgebäude ist unverkennbar der Architektur der oberschwäbischen Region, dem heimatlichen Lebensraum des Künstlers, entlehnt. Es entspricht nicht dem Baustil und auch nicht den Baustoffen des Originalschauplatzes im Heiligen Land.
Das ausladende Gebäude der Fridinger Weihnachtskrippe ist als Teil oder eher als trauriges Überbleibsel eines vermutlich sehr bedeutenden großen Gebäudes dargestellt. Vielleicht sogar einer ehemaligen Burganlage. Der untere Teil eines großen runden Turmes, der von seinen Proportionen her zwar nicht ganz ins Bild passen will, und der große Torbogen rechts vom Stall mit den dahinter liegenden beeindruckenden Reststücken einer imposanten Hausmauer, darin der Ansatz eines großen Fensters, deuten darauf hin.
Das ruinöse Gebäude entspricht damit sogar in zweierlei Hinsicht der reichen und vielfältigen Krippensymbolik. Zum einen zeigt es den Gegensatz zur intakten Herberge auf, die das Paar eigentlich gesucht hatte, zum anderen erinnert es eindrücklich an die Vergänglichkeit von Reichtum und irdischer Macht und damit auch letztendlich an die Hinfälligkeit des Menschen.
Die Figuren der Krippe sind alle sehr fein und ausdruckstark gearbeitet und zeugen beeindruckend vom großen Können ihres Meisters. Das Kind in der Krippe hat, schon in Anlehnung an seinen späteren Tod am Kreuz, die Hände weit ausgebreitet.
In den späten 1950er Jahren ließ der damalige Fridinger Stadtpfarrer Arnold Vogt die Weihnachtskrippe durch einen Mechaniker aus Ulm mit mechanischen und akustischen Zusätzen umbauen und um einen Brunnen mit fließendem Wasser erweitern. Der Turm wurde zum Glockenturm umfunktioniert. Die untere Tür wurde entfernt, dort steht jetzt in einem offenen Torbogen ein kleiner geschnitzter Engel, der das Glockenseil zieht, oben im Turmfenster darüber sieht man die Glocke schwingen.
In die Rückwand des Krippenstalles wurden zwei bewegliche Fenster eingesetzt, durch die auf schönen weißen Wattewolken zwei kleine Engel mit Musikbegleitung in den Stall fast genau über das Jesuskind in der Krippe nieder schweben. Das alles sehr zur Freude der Kinder, die immer wieder staunend das kleine Schauspiel bewundern und dann hartnäckig ihren Eltern helfen, das lästige Kleingeld loszuwerden. Das flackernde Lagerfeuer kam in den 1970er Jahren dazu.
Anfänglich kostete der Glockenengel im Turm zehn Pfennig, die schwebenden Engel im Stall 50 Pfennig, was Ende der 1950er Jahre bestimmt viel Geld war. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass manch einer mit allerhand Tricks versuchte, die Krippenengel ohne Geldeinwurf zum Laufen zu bringen. Der frühere Mesner Fidel Hermann hat öfters alte Frauen beobachtet, die ihre Haarnadeln zückten und versuchten, damit den Geldschlitz zu manipulieren. Sie konnten so tatsächlich immer wieder den Geldeinwurf umgehen und, sehr zur Freude (aber nicht zum guten Vorbild!) ihrer Enkelkinder, so den Mechanismus auslösen. Die bislang einzige Preiserhöhung für die Fridinger Krippe wurde dann gleichzeitig mit der Umstellung von Mark auf Euro durchgeführt.
Wohl zeitgleich mit der Mechanisierung der Krippe wurde das Stallgebäude von Pfarrer Vogt um ein Strohvordach erweitert, das Holz-Gerüst dazu fertigte er selbst an, das ursprüngliche Strohdach hatten die in Fridingen stationierten barmherzigen Schwestern aus Untermarchtal hergestellt. Es ist inzwischen durch ein neues ersetzt worden. Von den ursprünglich 33 Figuren unserer Krippendarstellung sind im Lauf der Jahre zwei Schafe und der schwarze Hund auf ungeklärte Weise verschwunden.
Alle Jahre wieder baut Karl-Josef Hamma mit viel Geschick und mancherlei Improvisationstalent die große Weihnachtskrippe in der Fridinger Pfarrkirche auf. Er macht das eigenverantwortlich seit nahezu 40 Jahren. Schon ab 1971 durfte er als gerade mal elfjähriger Ministrant Stadtpfarrer Arnold Vogt beim Aufbau der Weihnachtskrippe unterstützen. Für Pfarrer Vogt war der Krippenaufbau immer eine sehr wichtige Sache, die er am liebsten selbst durchführte. Er achtete streng auf äußerst vorsichtige und pflegliche Behandlung der Figuren und des Stalles, der ebenfalls aus mehreren Teilen besteht. Deshalb sieht man ihnen bis heute ihr hohes Alter kaum an.
Auch die Auswahl der Materialien zur Krippendekoration überließ Pfarrer Vogt nicht einfach so dem Zufall. Um das Moos, das er zum Aufbau der Krippe benötigte, zu sammeln, fuhr er jedes Jahr extra in den Schwarzwald, weil das Moos dort wesentlich schöner und weicher gewesen sei als das hiesige. Die Wolken, auf der die beiden Engelchen in den Stall schweben, umwickelte er jedes Jahr neu mit Watte, aber natürlich mit einer ganz bestimmten Marke. Um dem ganzen noch eine natürlichere Note zu geben, verbrannte er Holz, weihte die Asche und bestreute damit die Wolken.
Als Pfarrer Arnold Vogt merkte, dass Karl-Josef Hamma handwerklich sehr talentiert und geschickt ist, überließ er ihm nach einigen Jahren den Aufbau der Krippe komplett. Dem früheren Mesner Fidel Hermann war es immer vorbehalten, ganz am Schluss des Aufbaus das Christkind in die Weihnachtskrippe hinein zu stellen, was für Fidel Hermann immer nicht nur eine wichtige Handlung war, sondern auch eine Ehre darstellte.
Die Fridinger Weihnachtskrippe stammt aus der Werkstatt des Bildhauers Valentin Redolf in Gebrazhofen bei Leutkirch. Über sein leider nur kurzes Künstlerleben ließ sich bislang, trotz intensiver Suche in den verschiedenen Archiven, nicht allzu viel in Erfahrung bringen. Das hängt aber sicherlich auch mit seinem frühen und mysteriösen Tod zusammen. Valentin Redolf stammt aus einer alteingesessenen Moenaer Familie, die allerdings keine alte Bildhauerfamilie ist, wie man zunächst vermuten möchte.
Er ist am 1. Juni 1871 als viertes von sieben Kindern in Moena am Eingang des Fassatales in Südtirol geboren. Sein Vater war Bertolo Redolf, seine Mutter war Maria Anna Sammovilla. Er wurde am Tag seiner Geburt auf den Namen Valentino Vigilio getauft. Seine Taufpaten waren Valentino Redolf und Madalena Sommavilla, vermutlich Geschwister der Eltern. Seinen Rufnamen hat er demnach von seinem Taufpaten, der Zweitname Vigilio kommt vom hl. Vigilio von Trient, dem Patron der Moenaer Pfarrkirche. Die Geschwister von Valentino waren: Giacomo (1868), die Zwillinge Simone und Caterina (1869), Eustachio (1873), Margherita (1874) und Verginia (1875).
Der Vater Bertolo Redolf war Gastwirt und Hotelier im Gasthof „Al Cappello di Ferro“, der später „Alpen-Gasthof“ (Albergo Alpino) hieß und am Hauptplatz von Moena lag. Dieser Gasthof wurde bis 1970 betrieben und von Nachkommen der Tochter Simone Redolf geleitet. 1970 wurde das Haus in ein Appartement-Haus umgebaut und heißt jetzt „Residence Alpino“.
Heute lebt in Moena nur noch eine Familie, die direkt von Bertolo Redolf abstammt.
Das Schnitzerhandwerk erlernte Valentin Redolf gemäß der Familienüberlieferung in der rund 45 Kilometer von Moena entfernten Schnitzerschule St. Ulrich in Gröden/Südtirol, die er wohl frühestens ab 1885/86 besuchte. Für das Jahr 1890 ist er nach den Einträgen in Moena dort bezeugt. Genaue Daten liegen nicht mehr vor, auch ist nicht mehr bekannt, wie die Eltern aus der Gastwirtsfamilie zur Leidenschaft ihres Sohnes für das Schnitzerhandwerk standen.
Vermutlich aber sehr positiv, denn zum künstlerischen Umfeld des jungen Valentin Redolf in Moena schreibt Maria Piccolin aus Moena: „Die Familie des Valentin Redolf war mit der Familie Pettena verschwägert, die das Gasthaus `al Cappello di ferro´ und später `Albergo Alpino´ besaß. Aus dieser Familie Pettena stammt der Bildhauer Giovanni Battista Pettena (1828-1905), der etwa von 1848 – 1855 an der Kunstakademie in Venedig war, dann aber wieder nach Moena zurückkehrte und hier als Holzschnitzer und Gastwirt arbeitete. Aus seiner Hand stammen die beiden Figuren St. Petrus und Paulus, die in der Kirche von Moena stehen. Der Bildhauer Pettena fertigte insbesondere Heiligenfiguren und andere Statuen für Kirchen an, aber er ist heutzutage fast unbekannt, da bisher niemand seine Werke erforscht hat.
Wahrscheinlich hatte der junge Valentin Redolf die Werkstatt dieses mit ihm verwandten Künstlers oft besucht und sicherlich auch etwas von ihm gelernt. Leider konnte ich bisher die Verwandtschaft zwischen den beiden Holzschnitzern nicht genau erforschen; Pettena soll ein (eingeheirateter) Onkel des Bertolo Redolf gewesen sein.
Weltberühmt wurde die kleine Ortschaft in den italienischen Dolomiten durch die Grödner Holzschnitzerei. Schon seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts versuchten die Bewohner des abgeschiedenen, ladinisch sprechenden Tales Gröden die langen Winter mit Schnitzen zu überbrücken und damit den kargen Lebensunterhalt der Familie etwas aufzustocken. Aus der Not der Abgeschiedenheit entstand eine Kunst. Von Beginn an gab es begabte Künstler, die mit ihren Heiligenfiguren Kirchen ausstatteten, und weniger Talentierte, die sich auf die Produktion von Kleinfiguren spezialisierten. Diese wurden im Winter in Serie produziert und im Sommer von Tür zu Tür verkauft.
In der Zeit des Barock erhöhte die steigende Volksfrömmigkeit die Nachfrage nach Krippen. Um 1850 arbeiteten in Gröden bis zu 2.500 Menschen, also jeder zweite Talbewohner, in diesem Handwerk. Das führte sogar dazu, dass die heimische Zirbelkiefer in ihrem Bestand bedroht war und das Holz rationiert werden musste. Als die Konkurrenz auf dem europäischen Markt auf die Preise drückte, sah man sich gezwungen, die Qualität zu erhöhen. Dadurch entstanden die Schnitzschulen in Gröden. Das Ansehen der Grödner Holzschnitzer stieg beständig, die Anbindung der Grödner Talstraße und letztlich der Bau der Grödnerbahn unterstützten diese Tradition.
Ab 1850 gab es einige junge Grödner die sich an die berühmte Münchner Akademie zur Weiterbildung begaben. Die bayerische Hauptstadt war das damalige Zentrum für nazarenische Malerei. Nazarenische Bildhauer hat es bis auf einige Ausnahmen bis zu dieser Zeit nicht gegeben. Die Übertragung der nazarenischen Ästhetik vom zweidimensionalen Bild in die dreidimensionale Skulptur sollte dann die Domäne der Grödner Künstler werden.
Einer dieser jungen Grödner war Ferdinand Demetz. Er war zunächst Bildhauerlehrling in der Werkstatt seines Vaters, ehe er die Mayer'sche Hofkunstanstalt unter der Entwurfsleitung von Joseph Knabl in München und die Akademie der bildenden Künste in Wien besuchte. Er erreichte den Abschluss in Wien mit einer Plastik von Gottvater, wofür er mit dem Goldenen Kreuz mit Krone ausgezeichnet wurde. Am 16. Dezember 1866 trat er in die Königliche Kunstakademie in München ein.
1872 gründete Ferdinand Demetz, übrigens der Großvater von Luis Trenker, die „Fachschule in St. Ulrich“, die erste Schnitzschule im Grödnertal. mit Unterstützung der Regierung in Wien und betrieb fünf Werkstätten mit 30 bis 40 Beschäftigten und 12 bis 14 Lehrlingen zur Herstellung von sakralen Einrichtungen für Kirchen.
Valentin Redolf erhielt an dieser Schule die praktische Ausbildung in Zeichnen, Modellieren und Schnitzen und blieb dem dort gelernten und dem Nazarener-Stil treu.
Etwa um das Jahr 1892 kam Valentin Redolf während seiner Wanderjahre auch ins Schwäbische. Als er nach Gebrazhofen bei Leutkirch kam, fand er hier eine gute Anstellung in der Kunstanstalt der damals weitbekannten Bildhauer- und Steinmetzfamilie Metz (Peter Paul Metz 1830-1912), die in der Hauptsache sakrale Skulpturen und Altäre fertigte. Hier war er zum Beispiel 1896 am Chorgestühl für die katholische Kirche St. Gordian und Epimachus in Merazhofen beteiligt. Schon nach siebenjähriger Tätigkeit in der Werkstatt Metz machte er sich im Jahr 1899 in Gebrazhofen selbständig und warb daraufhin als „Valentin Redolf, Bildhauer – Atelier für christliche Kunst“ für seine Werke.
Am 26. Februar 1900 heiratete er die Wilhelmine Herberger, geboren am 20. März 1878 in Gebrazhofen, die ebenfalls aus einer Bildhauerfamilie stammte. Ihre Eltern waren der Bildhauer Karl Herburger und dessen Frau Adelheid Wechsel. Das Paar hatte vier Kinder: Wilhelm Valentin 28.11.1900, Carl Josef 31.10.1901, Guido 13.04.1906 und Maria Anna 27.06.1907.
Es ist bislang nicht bekannt, ob Redolf allein arbeitete oder ob er in seiner Werkstatt auch Mitarbeiter beschäftigt hatte; ebenso wissen wir nicht, ob er seine Figuren auch selber fasste, oder ob er diese Arbeiten einem Maler übertragen hatte. Aufgrund einer erhaltenen Figuren-Skizze des hl. Ambrosius aus der Hand von Valentin Redolf, die im Pfarrarchiv Fridingen überliefert ist, wissen wir aber, dass er auch ein guter Zeichner war.
Sehr auffallend an den Figuren der Fridinger Redolf-Krippe ist allerdings, dass einige von ihnen an der Grundfläche des Sockels mit „K.T.“ signiert sind. Diese Signatur ist eindeutig durch eine Schablone aufgemalt. Sind das die Initialen eines Malers? Oder war es vielleicht sogar so, dass Valentin Redolf eventuell Rohlinge oder auch fertig geschnitzte Figuren für seine Produktion nach wie vor aus Grödner Werkstätten oder auch einer Moenaer Werkstatt bezog? Er kannte sicherlich viele der Meister und Gesellen noch persönlich und hielt auch nach seiner Hochzeit den Kontakt in seine Heimat aufrecht.
Valentin Redolf erhielt bald nach seiner Geschäftseröffnung nicht nur Aufträge aus der näheren Umgebung von Leutkirch, er lieferte seine Arbeiten unter anderem bis nach Strassburg, Itzehoe, Rottenburg, Saulgau und auch nach Colmar. Auch in die Pfarrkirche St. Martinus im nahe gelegenen Böttingen lieferte er im November 1902 mehrere Figuren und ein Kreuz.
Es ist sehr schwierig, eigentlich fast unmöglich, heute, fast 100 Jahre nach seinem Tod, einen Überblick über Valentin Redolfs gesamtes künstlerisches Schaffen zu geben. Nach seinem sehr frühen und tragischen Tod hatte zunächst wohl niemand daran gedacht, sein Wirken zu dokumentieren. Was heute noch an Kunstwerken aus seiner Hand in Kirchen und Kapellen zu finden ist, kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Kein einziges Kunst- oder Krippenlexikon nennt seinen Namen. Valentin Redolf musste sterben, als er sich gerade einen Namen gemacht hatte und am beginnenden Höhepunkt seines fleißigen Schaffens stand. Er ist, meiner Meinung nach völlig zu Unrecht, gänzlich in Vergessenheit geraten.
Valentin Redolf war aber zu seiner Zeit dennoch schon ein sehr angesehener Künstler, der gerade begonnen hatte, sich in der christlichen Kunstszene recht erfolgreich zu etablieren und sich schon einen angesehenen Kundenstamm erarbeitet hatte. Über seine großen Fähigkeiten können etliche so genannte „Anerkennungsschreiben“, unter anderen von Professor Dr. Dr. Alois Knöpfler, dem seinerzeitigen Sekretär der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst und dem damaligen Rottenburger Diözesan-Bischof Paul Wilhelm von Keppler ein beredtes Zeugnis abgeben.
Auch etliche Geistliche, die Valentin Redolf mit seinen Werken beliefert hatte, äußerten sich sehr lobend über seine sakralen Arbeiten.
Auch hier in Fridingen befinden sich noch weitere Werke aus seiner Hand. Im Frühjahr 1904 bestellte Stadtpfarrer Bernhard Ruess auf eigene Kosten bei Valentin Redolf zwei Statuen für die Pfarrkirche, nämlich die Herz-Mariä- und Herz-Jesu-Darstellungen. Diese beiden Figuren wurden am Herz-Jesu-Fest 1904 geweiht. Sie sind 1,30 Meter hoch und kosteten je 160 Mark.
Und, so zumindest berichtet es die örtliche Überlieferung, auch die sehr beeindruckend gearbeitete Christusdarstellung des Wegkreuzes auf dem Härle soll von Valentin Redolf stammen. Das Härlekreuz wurde am 25. April 1909 von Pfarrer Ruess geweiht.
Eine abschließende Beurteilung und Bewertung des Gesamtwerkes von Valentin Redolf bleibt Kunsthistorikern überlassen, dies dürfte aber auf Grund der wenigen eindeutig überlieferten Stücke wohl sehr schwierig werden. Die Weihnachtskrippe in der Fridinger Pfarrkirche ist aber – ohne Übertreibung und Selbstlob - mit Sicherheit eine der schönsten Krippendarstellungen der Region und stellt ein beachtliches und beeindruckendes Zeugnis für das hohe Können des Bildhauers Valentin Redolf dar. Daher ist es mehr als erfreulich, dass die katholische Kirchengemeinde Fridingen diese Krippendarstellung, auch wenn dieser Kunststil zwischenzeitlich längst aus der Mode gekommen ist, pflegt und erhält und dieses Kunstwerk, sehr zur Freude (nicht nur) der Kinder, jedes Jahr in der Kirche aufstellt.