Die Flugüberwachungsstelle Härle (“Blitzhütte”)
Autor: Rafael Rees
Veröffentlicht in: Gesammelte Aufsätze zur Fridinger Geschichte Band 2
Der Krieg war vorbei. Wir “Schulerbuben” von Fridingen spielten oben am Härle Räuber und Gendarm. Eine verfallene Baracke passte prima in unser Spiel. Während des Zweiten Weltkrieges musste dieses Holzgebäude irgendeine, vielleicht wichtige, Funktion gehabt haben.
Von den Eltern hörten wir, dass es sich um die “Blitzhütte” handelte. Von “Blitzweibern” war die Rede. Doch was verbarg sich dahinter? Wer waren die “Blitzweiber”, und was war ihre Aufgabe?
50 Jahre nach Kriegsende wollte ich es genau wissen. Ich versuchte, über Gespräche mit Fridingern Informationen zu bekommen.
Von 1943 bis 1945 stand die “Blitzhütte” auf dem Härle. In Holzbauweise waren zwei Gebäude, ein Hauptgebäude und ein Geräteschuppen, errichtet worden. Im Hauptteil waren außer den Diensträumen Aufenthaltsräume, einer für Frauen, einer für Männer, und die Sanitäranlagen untergebracht. Eine kurze steile Treppe führte zum Turm. Der sechseckige Turm war rundum verglast, um eine genaue Luftraumüberwachung zu gewährleisten. Innen war ein großer Rundumkompaß installiert, mit zusätzlicher Uhrzeigerskala.
In ganz Deutschland waren solche Luftraumüberwachungsstützpunkte errichtet worden. Die Fridinger “Blitzhütte” war dem Luftwaffenkommando Donaueschingen unterstellt. Per direkter Telefonleitung (Feldtelefon) mussten dorthin alle gesichteten Flugzeuge gemeldet werden. Selbstverständlich mit genauer Angabe der Typenbezeichnung und der Flugrichtung. Eine sichere Erkennung der Flugzeuge war Voraussetzung für diesen Dienst und wurde vom Personal verlangt. Im Dienstraum standen daher Modellflugzeuge, eigene und feindliche, jeden Typs.
Wenn Flugzeuge im Anflug auf Fridingen waren, musste dies der Genesungskompanie, die zu dieser Zeit in Fridingen stationiert war, gemeldet werden. Vom Härlekreuz und vom Teckranken (heutiger Parkplatz Richtung Knopfmacher) bliesen dann die Soldaten Alarm.
Das Luftraumüberwachungspersonal Fridingen bestand aus drei Männern und sechs Frauen. Diese arbeiteten rund um die Uhr in drei Schichten. Andreas Schilling aus Nendingen, Feldwebel des Luftwaffennachrichtendienstes, war der Chef der Truppe. Die Damen des Flugkommandos trugen Hilfsuniformen und keine Waffe.
Eine von ihnen, Liese Döhler geb. Böhlinger (Foto), heute wohnhaft in Ludwigsburg, erinnert sich:
1944, sie ging übers Härle, Richtung "Sonne" zum Mittagessen. Ein Tiefflieger brauste heran und nahm sie unter Beschuss. Erschrocken und voll Angst warf sie sich zu Boden. Die Maschine drehte ab, flog eine Schleife und schoß wieder auf sie. Gott sei Dank war ihr nichts geschehen. Die Einschusslöcher waren lange Zeit sichtbar (zwischen dem Kriegerdenkmal und dem Gartenhaus von Matthias Hipp +). Die Geschoßreste wurden von Fridinger Buben gefunden und entfernt.
Aufgrund dieses Beschusses wurde um die “Blitzhütte” ein Splittergraben ausgehoben. Im Februar 1945, sie war gerade alleine in der Nachtschicht, donnerte ein Verband (englischer?) Flieger über das Gebäude. Rasch lief sie nach draußen, bestaunte mit Grauen diese Flugzeuge und nahm gleichzeitig in der Hecke Deckung. In dieser Nacht wurde Dresden bombardiert und zerstört. Doch auch an angenehme und heitere Dinge erinnert sich das “Blitzmädchen”. So konnte man sich schon mal im Badeanzug auf dem Dach sonnen. Oder: Ein Kollege, der überhaupt nicht beliebt war, und der allen anderen Mitarbeitern das Leben schwer machte, bekam immer Abführmittel untergejubelt. Dadurch war ihm häufig übel. Er suchte den Arzt auf. Die Übeltäter meinten scheinheilig, ihm bekomme die Fridinger Luft nicht. Schließlich wurde er versetzt.
Die offizielle Bezeichnung der “Blitzmädchen” oder “Blitzweiber” war Flugmeldehelferin. "Unser" Blitzmädel z.B. hatte gerade eine kaufmännische Ausbildung beendet, da kam der Stellungsbefehl. Zur Schnellausbildung musste sie für sechs Wochen nach Straßburg. Danach, ab November 1942, zur praktischen Ausbildung nach Zimmern ob Rottweil, Donaueschingen, Rietheim und schließlich wurde sie in Fridingen eingesetzt.
Verpflegt und untergebracht war das Flugkommandopersonal in der “Sonne”. Liese Döhler, sie wohnte in Tuttlingen, wurde das Essen fast immer gebracht. Ein Arbeitskollege ihres Vaters, Stefan Heni, übernahm den “Henkelmann” (tragbares Essgeschirr) in Tuttlingen und brachte ihn nach Fridingen. Schließlich, so fand Familie Heni, sei es aber einfacher und besser, wenn das junge Mädchen bei ihnen essen würde. So wurde Liese bei Henis verköstigt und half dafür im Haushalt mit. Ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte sich. Das Kriegsende erlebte Frau Döhler in Tuttlingen. Ihre Mutter ließ sie damals wegen der gefährlichen Situation nicht zum Dienst nach Fridingen. Deshalb besitzt sie auch keine weiteren Kenntnisse über das Schicksal der “Blitzhütte”.
In diesem Sommer besuchte Frau Döhler die Tochter von Familie Heni, Marie Sattler. So lernte ich sie kennen, das ehemalige “Blitzweib”. Ihr selbst hat allerdings “Blitzmädchen” besser gefallen.