Der Umschwung nach dem Hitlerkrieg in Fridingen
22.4.45 (Sonntag) Capitaine DUVAL erscheint im Auto mit einigen Offizieren und dem Stellvertreter des Mühlheimer Zahnarztes (ein Elsäßer), setzt Ludwig Hermann als Bürgermeister ein- dieser beruft Studienrat Bucher und Bonifaz Hipp zu seinen Mitarbeitern und später einen Gemeinderat.
Die Russen und Polen, die bisher in Scheunen campiert hatten, nehmen in den Schullokalen Quartier - unsere Waschküche wird Russenküche, die Polen kochen in der Kochschule. Ein polnischer Feldwebel wird Ortskommandant.
23.4.45. Auf dem alten Schulhaus und der Annakapelle werden weiße Flaggen gehißt. Die Polen erhalten die die weggeworfenen Gewehre (und die deutschen Wachleute - Kriegsgefangene). Als Besatzung geben sie keinen Anlaß zu Klagen- dagegen sind sie in der Verköstigung ziemlich anspruchsvoll, requirieren in der Metzgerei und Milchzentrale fleißig. Sie kochen im Backhaus und geben gerne an ihre evakuierten Freundinnen ab! Am Schießen zeigen sie kindische Freude und zielen gerne auf Fische in der Donau.
Bekanntmachung: Ausgangszeiten von 8 - 20 Uhr, Waffen, Radios und Photoapparate müßen auf dem Rathaus abegeben werden. PG. treten mittags vor dem Rathaus an, Pfund verhaftet, aber nach einigen Tagen wieder entlassen.
24.4. Während des Mittagessens besuchen einige Russen unseren Keller (und Polen), lassen eine halbe Lege Äpfel und den Kellerschlüssel mitlaufen. (von ähnlichen Vorkommnissen hört man öfters und schiebt sie hauptsächlich den Russen zu). Ich mache sofort einen Besuch in meinem Schullokal und erwische einen Polen beim Apfelessen - drohe mit Meldung beim Kommandanten, worauf um 14 Uhr ein Russe den Schlüssel wieder zurückbringt. Ein Pole kontrolliert die unteren Schulräume und Schränke, beschlagnahmt Verbandsmaterial vom Luftschutzunterricht.
25.4. Aus der Gegend von Immendingen/Villingen ertönt starkes Ari-Feuer. Es sind dort Gefechte mit deutschen Wehrmachtstellen, die vom Schwarzwald her durchbrechen wollen - auch in Tuttlingen fallen einige Geschoße. Gegen 17 Uhr setzt von dort her ein langer Zug von Ostarbeitern ein, die mit allen möglichen Fahrzeugen dem Heuberg zustreben. Ein Teil übernachtet hier, in den nächsten Tagen geht der Strom wieder zurück.
Am Morgen waren auf dem Heldenfriedhof 3 Beerdigungen:
1 Pole, der im Herbst bei Braun an der Starkstromleitung verunglückt war, wurde umgebettet, 1 Russe, der in den letzten Tagen dort gestorben war, wurde beigesetzt, 1 deutscher Soldat (politischer Häftling?), der von seinem Kommandoführer erschossen worden war (Erkennungsmarke ging auf dem Rathaus verloren). Die polnische Ehrenkompanie wurde während der Feier teilweise abberufen, weil farbige Franzosen die Metzgerei erstürmt hatten - es war im Wald frischgeschlachtetes Fleisch gefunden worden.
26.4. Die Russen werden bewaffnet und ziehen nachmittags gegen Irndorf - Stetten ab. Unsere Waschküche wird einigen evakuierten Frauen zur Verfügung gestellt.