Der Umschwung nach dem Hitlerkrieg in Fridingen
Autor: Oberlehrer Weiss
Veröffentlicht in: Gesammelte Aufsätze zur Fridinger Geschichte Band 2
Über den Autor Oberlehrer Franz Joseph Weiß:
Geboren am 4.Oktober 1881 in Fischbach, Kreis Biberach, ab 1. November 1924 als ständiger Lehrer in Fridingen, von 1945 bis 1949 Schulleiter. Beförderung zum Hauptlehrer und Umzug 1949 nach Leutkirch. Gestorben am 5. Februar 1966 in Leutkirch.
Lehrer Weiß beschäftigte sich während seiner Fridinger Zeit viel mit der örtlichen Geschichte. Gemäß dem damaligen Lehrplan führte er heimatkundliche Lerngänge durch und zeichnete darüber hinaus zu verschiedenen Themen vieles auf. Besonders wichtig zur Geschichte der Nachkriegszeit ist sein Brief vom Juli 1945 an seine Tochter Ottilie in Leutkirch, in dem er tagebuchartig die Ereignisse dieser bewegten Zeit schildert. Wir danken den Angehörigen, für die Erlaubnis, dieses wichtige Dokument hier ungekürzt abzudrucken.
Anfangs April 1945 warfen die Kriegsereignisse immer bedrohlicher ihre Wellen gegen unsere Heimat. Am Freitag, den 6.April 1945 verfügte Kreisleiter Babtist die Schließung sämtlicher Schulen des Kreises Tuttlingen. Am anderen Tage wurden unsere Schullokale zur Unterbringung von Flüchtlingen geräumt und wir Lehrer der NSV zur Verfügung gestellt. Der Stellvertreter des Ortsgruppenleiters Renz beauftragte uns z.B. mit einigen anderen Männern 40 Fahrräder, die für den Volkssturm beschlagnahmt worden waren, einzusammeln. Ergebnis: etwa 1 Dutzend gebrechlicher Invaliden, von denen kaum noch 3 zu gebrauchen waren. Auf dem Rathause mußten wir mithelfen, Quartierlisten für Flüchtlinge aufzustellen.
10. April 45: Mein Schullokal wird bestuhlt zu einem Vortrag des Batl.-Führers der Gen. Comp. 2/109, die seit Ende Januar hier ist und für den Volkssturm. Andern Tags werden beide Lokale mit Stroh belegt für Inder, die vom Heuberg kommen und hier rasten sollen - sie marschieren ohne Halt durch. Gegen Abend kommt aus Westen ein Zug gefangener Marokkaner, der auf der Breitwies abkocht, die Kinder wollen denselben Brot, rohe Kartoffeln bringen, werden aber von den Wachleuten grob abgewiesen.
Am Freitag und Samstag wird Knupfers Lokal "Revier" und auch das meinige mit Betten belegt, um anderer Verwendung vorzubeugen.
Laut Wehrmachtsbericht sind scharfe Kämpfe bei Freudenstadt, Horb.....
18.4. Mittwoch. In der vergangenen Nacht waren 5 Fliegerbomben von je 5 Ztr. zur Donaubrücke gebracht worden, sie wurden im Laufe des Tages leicht eingegraben; auch bei der Eisenbahnbrücke bei der Bindwage sind 4 Bomben abgeladen worden.
Feindliche Panzerspitzen sollen bis Haigerloch vorgedrungen und andere in Rottenburg und Tübingen eingedrungen sein.
Ich muß Nr-Täfelchen für die "Fliehwagen" austragen.
20.April: Die Tuttlinger werden zur Evakuierung aufgerufen!
Wir bringen unsere Wertsachen (Papiere, Kleider, Wäsche...) in Schutzraum, richten unseren Wagenpark zu einer eventuellen Flucht in die Berge im Falle einer Beschießung Fridingens - für die Kinder hatte man Keks gebacken.
Ich muß in Block 4 frage: Wer evakuiert werden wolle! (in ganz Fridingen erklärten sich nur einige Evakuierte zur Flucht bereit.)
In den letzten Tagen sind wiederholt lange Züge Gefangener (Erdarbeiter) Neuhausen zu gewandert, ein Transport von 250 Russen und 200 Polen, die von Baden-Baden her kamen, übernachteten in Scheunen.
21.4.45 (Samstag) In der Nacht sind einige Hundert deutsche Soldaten mit Wagen und Autos, dabei 14 jährige Bürschlein- eingezogen.
Feindliche Jabos erscheinen, die Truppen versuchen nach Westen abzufahren, müssen aber umkehren und fliehen über die Teck.
Die Franzosen nahen von Rottweil über Gosheim - Stetten - Mühlheim.
Man hört einzelne Schüsse. Die Gen.Comp., die Fridingen bis auf den letzten Mann verteidigen sollte... und bald auch der Fridinger Volkssturm löst sich größtenteils auf, warfen beim Rathaus ihre Gewehre weg und flohen in die östlichen Wälder...; eine kleine Abteilung unter Leutnant Magnus, der bei uns im Quartier lag und immer noch siegte, besetzte die Panzersperren bei Bergsteig.
Wir gehen gegen 10 Uhr in den Keller- ein Soldat rennt die Treppe herab- und ruft: Die blöden Hammel sprengen die Brücke! (in der Frühe waren zwei Bomben von der Brücke zum Schanztunnel gefahren worden, die andren 3 hatten Nachbarn in der Breitwiese versorgt!!! - an der Bindwagebrücke explodierten 3 Bomben, wodurch der 1. und 3. Pfeiler und die Auflage am westlichen Damm zerstört. Die Detonationen wurden im Keller für Ari - beschuß gehalten! Wir verzehren in ängstlicher Stimmung unsere Erbsensuppe und Rhabarberkuchen. Karl und Peter halten im Bett im Keller ihr gewohntes Mittagsschläfchen.
Panzerspähwagen nähern sich Bergsteig - die Kampfwagen aber fahren von Mühlheim gegen Nendingen und Neuhausen (Plünderungen und Vergewaltigungen).
Gegen 15 Uhr verlassen die zurückgebliebenen 8 Soldaten die Panzersperre bei Bergsteig und die Fridinger Volksstürmer öffnen dieselbe- - -
Ein Trupp bewaffneter HJ erklärt, schießen zu wollen, wenn der Feind komme....verzieht sich dann aber in die Wälder.!
Die Fridinger plündern die Lager der Gen.Comp.
22.4.45 (Sonntag) Capitaine DUVAL erscheint im Auto mit einigen Offizieren und dem Stellvertreter des Mühlheimer Zahnarztes (ein Elsäßer), setzt Ludwig Hermann als Bürgermeister ein- dieser beruft Studienrat Bucher und Bonifaz Hipp zu seinen Mitarbeitern und später einen Gemeinderat.
Die Russen und Polen, die bisher in Scheunen campiert hatten, nehmen in den Schullokalen Quartier - unsere Waschküche wird Russenküche, die Polen kochen in der Kochschule. Ein polnischer Feldwebel wird Ortskommandant.
23.4.45. Auf dem alten Schulhaus und der Annakapelle werden weiße Flaggen gehißt. Die Polen erhalten die die weggeworfenen Gewehre (und die deutschen Wachleute - Kriegsgefangene). Als Besatzung geben sie keinen Anlaß zu Klagen- dagegen sind sie in der Verköstigung ziemlich anspruchsvoll, requirieren in der Metzgerei und Milchzentrale fleißig. Sie kochen im Backhaus und geben gerne an ihre evakuierten Freundinnen ab! Am Schießen zeigen sie kindische Freude und zielen gerne auf Fische in der Donau.
Bekanntmachung: Ausgangszeiten von 8 - 20 Uhr, Waffen, Radios und Photoapparate müßen auf dem Rathaus abegeben werden. PG. treten mittags vor dem Rathaus an, Pfund verhaftet, aber nach einigen Tagen wieder entlassen.
24.4. Während des Mittagessens besuchen einige Russen unseren Keller (und Polen), lassen eine halbe Lege Äpfel und den Kellerschlüssel mitlaufen. (von ähnlichen Vorkommnissen hört man öfters und schiebt sie hauptsächlich den Russen zu). Ich mache sofort einen Besuch in meinem Schullokal und erwische einen Polen beim Apfelessen - drohe mit Meldung beim Kommandanten, worauf um 14 Uhr ein Russe den Schlüssel wieder zurückbringt. Ein Pole kontrolliert die unteren Schulräume und Schränke, beschlagnahmt Verbandsmaterial vom Luftschutzunterricht.
25.4. Aus der Gegend von Immendingen/Villingen ertönt starkes Ari-Feuer. Es sind dort Gefechte mit deutschen Wehrmachtstellen, die vom Schwarzwald her durchbrechen wollen - auch in Tuttlingen fallen einige Geschoße. Gegen 17 Uhr setzt von dort her ein langer Zug von Ostarbeitern ein, die mit allen möglichen Fahrzeugen dem Heuberg zustreben. Ein Teil übernachtet hier, in den nächsten Tagen geht der Strom wieder zurück.
Am Morgen waren auf dem Heldenfriedhof 3 Beerdigungen:
1 Pole, der im Herbst bei Braun an der Starkstromleitung verunglückt war, wurde umgebettet, 1 Russe, der in den letzten Tagen dort gestorben war, wurde beigesetzt, 1 deutscher Soldat (politischer Häftling?), der von seinem Kommandoführer erschossen worden war (Erkennungsmarke ging auf dem Rathaus verloren). Die polnische Ehrenkompanie wurde während der Feier teilweise abberufen, weil farbige Franzosen die Metzgerei erstürmt hatten - es war im Wald frischgeschlachtetes Fleisch gefunden worden.
26.4. Die Russen werden bewaffnet und ziehen nachmittags gegen Irndorf - Stetten ab. Unsere Waschküche wird einigen evakuierten Frauen zur Verfügung gestellt.
27.4. Ausgangszeit wird von 7 bis 21 Uhr erweitert. Polnische Abteilungen ziehen heute und in den nächsten Tagen als Besatzung in benachbarte Heuberggemeinden. Tag und Nacht werden Streifen in die Wälder der Umgebung gesandt, um dort deutsche Soldaten aufzustöbern, häufiges Gewehrfeuer wird von dort gehört. Um 11 Uhr wird an der Risihalde Paul Frech aus Wurmlingen (geboren in Fridingen) erschossen. Er wollte sich nach Wurmlingen durchschlagen und dort melden. Nachmittags werden 100 deutsche Soldaten hier durch nach Tuttlingen transportiert ins Sammellager.
28.4. Etwa 700 deutsche Soldaten aus der Saulgauer? Gegend werden hier durch nach Tuttlingen transportiert. In dem dortigen Sammellager sollen über 20000 Gefangene sein, bei der großen Hitze und der schlechten Verpflegung sei die Sterblichkeit groß.? Von hier waren Vitus Zepf, Max Hipp und Feger Josef dort. Die Angehörigen warteten manchmal tagelang dort am Drahtzaun ohne sie zu erreichen.
Knupfers Schullokal wird von russischen Lagerresten geräumt und ich als Schulleiter bestellt.
29.4. OFW Rankl wird beim Neuhauser Flugplatz angeschossen und stirbt auf Bergsteig, wird am Mittwoch auf dem Heldenfriedhof hier beigesetzt. PG müssen ihre Marschierstiefel an die Polen abliefern. Diese und die Russen hatten in den 1. Tagen Binders Schuhlager ausgeräumt.
30. April 5. Polen räumen mein Schullokal.
1. Mai. 2 Marokkaner wollen unser Haus kontrollieren - sie haben es dabei hauptsächlich auf Uhren und Schmucksachen abgesehen. Auf der Straße nehmen sie Passanten gelegentlich solche ab. Weil ich mich weigere, das Schulportal aufzuschließen, legt einer sein Gewehr auf mich an. Ich weise darauf hin - daß das Haus bereits durch Polen kontrolliert worden sei und fordere sie auf, mit auf die Kommandantur zu gehen, worauf sie dann abbiegen. - Aus der Umgebung kommen täglich mit Autos weiße und farbige Franzosen hierher zum Requirieren: Fleisch, Butter, Hühner, Eier und Hasen..., die Fischerei betreiben sie hier wie die Polen, verwenden dabei Handgranaten, dehnen ihre Jagdleidenschaft auch auf Gänse und Enten aus, so daß es wochenweise fortdauernd kracht.
Manche evakuierte Frauen wenden ihre Gunst bald auch den Franzosen zu!
Tacitus würde sein Urteil über deutsche Frauen heute wesentlich anders fassen. Im Löwen und in der Sonne finden Tänzereien statt.!?! anschließend Nachtautofahrten..
In der 1. Maiwoche werden beide Lokale der Neuen Schule gereinigt und geweißt - am 7. Mai soll der Unterricht hier aufgenommen werden - am Sonntag Abend erhalte ich von Herrn Bürgermeister die Mitteilung, daß Geschäftseröffnungen und Schulbetriebsaufnahmen vorerst nicht stattzufinden haben.
Täglich kursieren die widersprechendsten Gerüchte über Tod der früheren Parteimänner - über Kapitulation der ganzen Wehrmacht oder einzelner Teile - Waffenruhe und dergleichen.
7.Mai 45 General Jodel unterzeichnet in Reims die bedingungslose Kapitulation der gesamten deutschen Wehrmacht... und das ist das schreckliche Ende des glorreichen 1000 jährigen 3. Reiches! Im Osten kämpfen einzelne Truppenteile weiter?!.
8.Mai. Wieder pilgert ein langer Zug Ostarbeiter ins Lager zu Stetten.
10.Mai. Ende der Verdunkelungspflicht.
11.Mai. Radioapparate werden zurückgegeben (soweit sie nicht von Franzosen oder Polen gebraucht werden - PG erhalten ihre Geräte nicht!) Etwa 1 Dutzend Männer im Alter von 18 - 35 Jahren kommen auf den Heuberg, wo sie von den Russen beim Empfang ausgeplündert werden, die Hälfte davon wandert etwa 3 Wochen später nach dem Westen, kränkliche wurden entlassen. Von den Evakuierten gehen in diesen Tagen die 1. Trupps ab, kommen aber größtenteils nur bis Tuttlingen und kehren zurück.
12.Mai. Unsere beiden Schulsäle werden wieder ausgeräumt und mit Stroh belegt, weil 300 Franzosen hier ins Quartier kommen sollen.
13.Mai. (Sonntag) Das Stroh wird wieder entfernt, weil die Lokale für den Stab gebraucht werden. In unsere große Stube sollen 2 Betten für Offiziere kommen, die Waschküche wird als Magazin für die 1. Kompanie bestimmt, darum am Sonntagmorgen großer Umzug mit Hilfe der Nachbarn. Quartierkommission erscheint mit Bürgermeister und stellt das Ansinnen: Wir sollen 3 anstoßende Zimmer räumen. In Stetten mußten ganze Wohnungen geräumt werden....
Schließlich bleibt es bei der ersten Anordnung....und die Herren kommen nicht. Ein Zug ausgehungerter Civil Italiener trinkt auf dem Marsch zum Heuberg an der Wasserleitung im Hof, einige kommen an die Haustüre und bitten um Brot - einer bietet für einen halben Stollen ein Paar noch sehr gute, zwiegenähte Halbschuhe, ein anderer in der Nachbarschaft für einen Stollen 50 Mark.
15.Mai. Polen kommen aus dem Schul - Rathaus zu uns ins Quartier. Einzelne suchen Privatquartiere. Im Schulhaus ist nun wieder Tag und Nacht “Betrieb”, Radio lärmt bis Mitternacht, obwohl anscheinend niemand darauf horcht.
25.Mai. Polnische Besatzung, die noch aus annähernd 100 Mann bestand, wird auf Autos nach Tuttlingen gefahren...Sie warten auf Einsatz gegen die Russen.??? Wir räumen unseren Schutzraum, alles ist gut erhalten.
31.Mai. Feierliche Fronleichnamsprozession mit Beteiligung der Musik und Altar am Schulhaus.
5.Juni. Am frühen Morgen erscheinen 2 Autos (französisch) zu einer Razzia. Hausdurchsuchungen bei einzelnen PGs, Bauernführer und Musikinstrumente werden mitgenommen. (Bauernführer kommt am Sonntag wieder).
10.Juni. Einige Mädchen und junge Frauen müssen nach Hausen im Tal zur Bedienung der Franzosen.
11.Juni. Suchaktion nach einem vermißten Franzosen, der im Hammerwerk bei einer Freundin gefunden wird.
18.Juni. Elsa bringt die Nachricht, daß Max gestern auf der Durchreise den ganzen Tag in Tuttlingen war.
19.Juni. Freizügigkeit innerhalb der ganzen Kreises Tuttlingen.
28.Juni. Auf Anordnung der Gouvernements hat jede Haushaltung eine vollständige Herrenbekleidung abzuliefern.
Seit 25.Juni war Fridingen ohne Besatzung, aus den umliegenden Gemeinden kommen täglich Franzosen zum Requirieren, Fischen, Tanzen, besuchen ihre evakuierten Freundinnen.... Heute Mittag erscheinen einige Offiziere als Quartiermacher, die auch das Schulhaus wiederholt von unten bis oben besichtigen.
30.Juni. Zwischen 16 - 17 Uhr wird uns mitgeteilt, daß sämtliche Wohnräume und die Schulsäle als Büros benötigt werden - Möbel können stehen bleiben oder mitgenommen werden... Wir werden zu Witwe Spiegel (Amerik) eingewiesen. Die Räumung der Wohnung wird mit Hilfe einiger Nachbarn sofort in Angriff genommen, ein großer Teil der Möbel auf die Bühne geschafft. In der kritischen Stimmung sorgt der kleine Peter für Humor. Er erwischte in unserem Schlafzimmer ein Tintenfaß ohne besonderes Unheil damit anzurichten - nach dem Putzen setzt er sich in einem unbewachten Augenblick in den stehengebliebenen Putzkübel und planscht und jauchzt in der schwarzen Sauce!! Am Sonntagmorgen bringen die Franzosen, während wir noch mitten im Auszug stehen, bereits ihre requirierten Schreibtische (an den nächsten Tagen folgen Chaislongs, Clubsessel..) - Das Mittagessen wird vergessen. Da uns Frau Spiegel auch noch ein 4. Zimmer abtritt, wird die Unterkunft ausreichend. Zu Keller und Bühne im Schulhaus haben wir jederzeit Zutritt.
2. - 11.Juli: Im Schulhaus sind etwa 6 Offiziere und 20 Mann (ein Stab) eingezogen. Das Feuerwehrmagazin wird Garage für 5 Autos - Unsere Waschküche Reparaturwerkstätte, der untere Hof wird durch die Schüler mit Granitstein gepflastert zum Waschen der Autos. Auch der volle Holzschuppen soll geleert und Lagerraum für Benzin und Öl werden - Als Ausweg verpflanzt man die Schießbude vom Wendelstein neben den Holzschuppen. Im Schulhaus werden Telephonleitungen gelegt, im Hofe die TRICOLORE aufgepflanzt. Um 8 Uhr ist täglich Flaggenhissung, um 17 Uhr Einholung. Währenddessen müssen Passanten schweigend stehen bleiben, Männer den Hut abnehmen.
12. - 14.Juli: Am Schulhaus steht ein französisches Schildwachhäuschen (Peter stellte sich lachend hinein und als man ihn herausholte, hatte er´s eingeweicht!!). Für den französischen Nationalfeiertag 14. Juli, wird das Schulhaus mit Hilfe der Feuerwehrleiter geschmückt - Am Freitagabend Fackelzug mit Feuerwerk. Am Festtag um 8 Uhr feierliche Flaggenhissung mit Feuerwerk. Amalie Kretzdorn und Marie Rudolf überreichen dem Herrn Kommandanten einen Riesenstrauß in den französischen Farben. In Fridingen ist Arbeitsruhe. Von 21 Uhr an soll ein Ball für die Besatzung mit Fridinger Damen sein....
Am letzten Sonntag war Tanz im Löwen angesagt, da auch ungeladene Gäste aus Mühlheim und Neuhausen erschienen waren, holte die hiesige Mannschaft ihre Waffen, die Gäste aus Mühlheim und Neuhausen zogen mit ihren evakuierten Damen johlend ab...und der Tanz wurde abgeblasen (11.20 Uhr, 14.7.45).
Liebe Otti,
im Vorstehenden findest Du unsere Schicksale in der abgelaufenen bewegten Zeit. Wie stehts bei euch, wir hörten schon des öfteren, daß in Leutkirch nichts besonderes passiert sei, und so hoffen wir, daß auch Du Dich wohl befindest, vielleicht hat auch Rena schon heim gefunden! Die hiesigen Krieger kehren tropfenweise heim - von Karl haben wir nichts mehr erfahren. Von Johanna erhielten wir über Wurmlingen einen Brief kurz vor der Rückkehr des Bischofs - da Herr Dekan zu diesem Feste per Motorrad fuhr, konnten wir auch ihr Nachricht geben. In Rottenburg waren Kämpfe (4 Tage lang mußte sie im Keller verbringen, aber sie und ihr Haus wurden nicht beschädigt). Auf Bangelt und in Irndorf geht es gut. Gestern habe ich Dr. Brandhofer in Beuron besucht - er wartet täglich auf Entlassung. Über die Ochsenhausener Vorgänge ist er unterrichtet und sehr in Sorge um seine Zukunft - er ist in Folge Magenblutung sehr bleich - wir sollen ihm bei der Beschaffung einer Hausgehilfin und eines Pferdes behilflich sein (Elsa und Poldi mit Kindern haben ihn schon früher besucht!). Elsa fährt morgen mit Tuttlinger Lastauto zum Bischofsjubiläum - hoffentlich kann sie den Brief jemandem mitgeben und findest auch Du bald Gelegenheit zur Übermitteilung einer Antwort an uns.
Herzliche Grüße und Küsse Eure Eltern und Geschwister, Poldi und Kinder
NS: Durch einen Bahnkurier könntest Du an Herrn Eberhard hier schreiben und einen Brief an uns einlegen.
Erläuterungen:
Ari-Beschuss: Artillerie-Beschuss
Gen.Comp: Genesungs-Kompanie
HJ: Hitlerjugend
Jabo: Jagdbomber
"Lokal": Klassenzimmer, Schulsaal
Lt.: Leutnant
OFW: Oberfeldwebel
PG: Parteigenosse
NSV: Nationalsozialistische Volkswohlfahrt